Vor kurzem schwelgte ich wieder in Nostalgie. Ich habe mein altes
Ultima VII installiert, mich gemütlich zurückgelehnt und endlich wieder nach langen Jahren Britannia besucht. Schon nach einigen Minuten lautet das Fazit: Lord British (und Warren Spector etc.) sind coole Säue und haben's als Spieldesigner einfach drauf. Also begann ich zu grübeln und übte mich darin, aus Ultima Lehren fürs Abenteuer- und Kampagnendesign bei Rollenspielen zu ziehen.
Erstens: Spieler wollen Ruhm & Ehre für ihre Charaktere.Was ist das erste, was ich in Ultima VII höre? Mein alter Freund Iolo, der über meine, des Avatars Ankunft sichtlich erfreut ist:
""If I did not trust the infallibility of mine own eyes, I would not believe it! I was just thinking to myself, 'If only the Avatar were here!' Then..."Lo and behold! Who says that magic is dying! Here is living proof that it is not! " Das geht erstmal runter wie Öl - ich fühle mich direkt zuhause. So geht es mir mit den meisten Bewohner Britannias: Ich bin der Avatar, die Verkörperung der Tugenden (Ultima IV), der Lord British gerettet (Ultima V) und die Bedrohung durch die Gargoyles beendet hat (Ultima VI). Beinahe überall werde ich mit Respekt und Anstand behandelt, selbst der BBEM Batlin wagt es nicht, mir respektlos gegenüber zu treten - zumindest nicht öffentlich.
Trotzdem - oder gerade deswegen - nehme ich meine Aufgabe ernst. Sie wird nicht dadurch leichter, dass ich quasi ein religiöser Prophet bin. Sie wird nicht dadurch leichter, dass Fürsten auf ein gutes Verhältnis zu mir bedacht sind - denn in irgendeiner Form wollen sie immer was von mir. Ruhm bringt auch Gegner und Gefahren mit sich. Und damit Plothooks...
Und wie verhält es sich im Papier-und-Bleistift-Rollenspiel? Zuoft wurde meinem Charakter vermittelt, dass er doch nur ein armes, kleines Würstchen sei. Arrogante Behörden, unfreundliche Priester, misstrauische Kleinbauern - selbst nach vielen Abenteuern wird der Held immer noch behandelt, als sei er ein Quälgeist, Störenfried, potentieller Dieb & Mörder, Parvenü. Getreu der alten Maxime für "richtiges Rollenspiel" heißt es dann "Die Charaktere dürfen nicht zu mächtig werden". So werden ihnen nicht nur Crunchy Bits und spielentscheidende Ressourcen entzogen, sondern auch der Ruhm - die den Spielern wohl wichtigste Fluff-Ressource. Dabei ist gerade Ruhm eine Form der Belohnung, mit der Spielleiter nicht knauserig sein sollte. Man kann sie getrost verteilen, ohne die Spielbalance deutlich zu gefährden. Und wenn den Spielercharakteren dann einmal der Respekt verweigert wird - das wirkt umso stärker.
Zweitens: Nicht immer neue Welten.Mit Ultima VII besuche ich Britannia zum vierten Mal, zum sechsten sogar, wenn ich die Welt Sosaria dazurechne, aus der Britannia entstanden ist. Wird es langsam langweilig? Nein. Es reizt vielmehr, Altes & Bekanntes erneut zu sehen, wieder zu besuchen. Iolo ist mir seit Jahren ein treuer Freund, mit der Stadt Trinsic verbinde ich Tapferkeit, und der gemütlich Ort Cove ist mein Fleckchen Allgäu, in den ich mich zur Entspannung zurückziehe. Es freut mich jedesmal, wenn ich ein bekanntes Gesicht sehe.
Viele SLs schicken ihre Charaktere auf eine Odyssee durch fremde Lande: Keine Stadt mehr als einmal, kein NSC, der an mehr als einem Spielabend auftritt. Vermutlich glauben sie, dass dadurch das explorative Erlebnis für die Spieler verbessert wird. Aber mitnichten: Das Wiedererkennen von Figuren und Örtlichkeiten ist einer der spannendsten Momente im Spiel. Die Stadt kenne ich seit Jahren, jetzt entdecke ich erstmals die Katakomben unter dem Friedhof? Perfekt. Die Herzogstochter, der ich schon vor vier Abenteuern meine Aufwartung machte, wurde entführt? Das trifft mich mehr als eine fremde Prinzessin, deren Namen ich zum ersten Mal höre, als ihr Vater mich zu ihrer Rettung anheuert. Und was, der Großwesir hat sie entführt? Der, mit dem ich mich damals beim Mittsommerfest betrunken habe? Damit hat er nicht nur seinen Herrn, sondern auch unsere Freundschaft betrogen, dieses Schwein!
Also: Mehr Mut zur Kampagne in bekannten Gefilden. Es gibt dem SL die Chance, die zeitbedingte Oberflächlichkeit bei seinen Vorbereitungen (da viele NSCs, Örtlichkeiten etc.) gegen eine intensivere, in die Tiefe gehende Ausarbeitung (da weniger NSCs, Örtlichkeiten etc.) einzutauschen. Und die Spieler werden's danken.
Ich hoffe, dass ich bald Zeit zum Weiterspielen finde. Und vielleicht gibt es dann noch weitere Lehren aus Ultima. Mal sehen...
Es sang für Euch
Grimnir