Zeitreisen sind anscheinend im Fantasyrollenspiel en vogue.
Hier berichtet der Hofrat von der von ihm geleiteten Kampagne, in der die Spieler um einige Tage in der Zeit zurückschickt. Gestern ließ der D&D-Spielleiter meines Vertrauens uns um satte 15.000 Jahre in die Vergangenheit seiner Spielwelt Mephrem reisen. Folgend der Spielbericht einer in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlichen Sitzung:
Zunächst kurz zu den Umständen der mittlerweile sehr komplexen Handlung: Einstens herrschte Krieg zwischen Lord Vendus, dem gefallenen Gott der Magie und Weltenwanderer, auf der einen Seite und dem Orden der Exekutoren auf der anderen Seite. Der Orden blieb (zunächst, aber das würde jetzt zu weit führen) siegreich, konnte Lord Vendus vertreiben und ein Zeitalter der Ordensherrschaft in Mephrem etablieren. Jedoch fehlte der Welt fortan die arkane Magie.
Die Kampagne begann zu einer Zeit, zu der Lord Vendus zurückkehrt, die Herrschaft über Mephrem anstrebt und die Magie wieder erwacht. Der Exekutor des Ordens (so nennt sich der Anführer des Ordens) ist zu der seit Jahrtausenden verlassenen Eisfestung des Ordens aufgebrochen, um dort mehr über den früheren Krieg gegen den alten Feind zu erfahren. Er kehrte nicht zurück und sein Nachfolger im Amt ist ein Trottel.
Aufgabe der Gruppe: Den letzten Exekutor in der Eisfestung finden und wieder zurückbringen.
Wir kommen dort an und finden die Festung gar nicht verlassen vor: Ein mächtiger Priester/Magier hat sich ihrer samt seiner Armee aus Weißen Drachen, Frostriesen, Schatten etc. bemächtigt, hält den Exekutor gefangen und hat durch Folter seinen Geist gebrochen. Uns selbst gelingt es ? nach einer kurzen Periode der Gefangenschaft ? uns das Vertrauen des Priestermagiers zu erschleichen, uns dadurch relativ frei in der Festung bewegen zu können und mehr über die Motive des Priestermagiers herauszufinden: Er war einer der ersten vier Exekutoren des Ordens (um eine Verwechselung zu vermeiden: Ihn bezeichne ich fortan als den Alten Exekutor. Der, den wir retten müssen, ist der Neue Exekutor), für ein Vergehen in eine Kerkerdimension gebannt. Der Neue Exekutor hat nun den Fehler gemacht, ihn zu befreien ? und hat damit sein eigenes Elend besiegelt.
Nun trug es sich zu, dass wir an den Würfel der Macht gelangten, ein magisches Artefakt, mit dem der Alte Exekutor den Gegenspieler des Ordens Lord Vendus vernichten will ? was aber die Vernichtung der Welt Mephrem nach sich ziehen würde. Das muss natürlich verhindert werden. Der Neue Exekutor - den wir mittlerweile heilen konnten - schickte uns nun in der Zeit zurück, damit wir den alten Würfel während seiner Herstellung manipulieren können. Sollte der Alte Exekutor den dann manipulierten Würfel zur Vernichtung von Lord Vendus einsetzen, würde nichts geschehen ? zumindest keine Vernichtung Mephrems. Genaue Anweisungen wurden uns gegeben, und eine kurze Zeit später waren wir 15.000 Jahre in der Vergangenheit in der gleichen Eisfestung, am Vorabend des ersten großen Krieges gegen Lord Vendus.
Einfach köstlich war die Idee unseres Spielleiters, uns auf den Alten Exekutor treffen zu lassen, der von den anderen drei Exekutoren des frühen Ordens in eine Kerkerdimension verbannt wurde. Der Grund: Er hat aufgrund einer Privatfehde den Schmied getötet, der den Würfel der Macht herstellen sollte. Auf die Anfrage, wer denn einen Schmied kenne, der das Werk vollenden könnte, kam - nach einigen Verwicklungen - mein Charakter, ein Zwergenpriester mit hohem Rang im Waffenschmieden, zum Zuge. Die Chance für uns, den Würfel der Macht schon bei seiner Herstellung zu manipulieren!
Genau an dieser Stelle konnte man schön sehen, welch interessante Erzählelemente Würfelwürfe produzieren können, die man mit reinem Erzählspiel nie so haben kann: Ich versemmelte meine Schmiedekunstwürfe derart, dass wir an dem Morgen, an dem der Würfel der Macht fertig sein sollte (zumindest der Rohling, die Magie lag nicht in meiner Hand), nur einen unförmigen Klumpen Metall hatten. Mist. Von draußen waren schon die schweren Schritte der Exekutoren zu hören, die die Arbeit abnehmen wollten. Letzte Möglichkeit: Die übrigen Rohmaterialien eingepackt, schnell den Rückruf eingeleitet, wieder in die Zukunft (also Gegenwart) gereist, dem verblüfften Neuen Exekutor gestanden, dass wir es versemmelt hätten.
Hier, in der Feste der Gegenwart, haben wir genau den gleichen Schmiederaum aufgesucht und in relativer Ruhe (relativ, weil der Alte Exekutor überall nach dem verlorenen Würfel hat suchen lassen) den Würfel der Macht geschmiedet. Daraufhin wieder in die Vergangenheit gereist ? genau an den Zeitpunkt, zu dem die Schritte der Exekutoren sich der Schmiede nähern. Es war geschafft! Sie nahmen den manipulierten Würfel an, bewunderten ihn, und brachten ihn zur Zeremonie fort. Mission gelungen!
Doch natürlich war das noch nicht alles, wir sind ja schlaue Spieler. Den Zwergensklaven in der Vergangenheit (von denen wir wussten, dass sie in einigen Tausend Jahren weiter südlich eine Stadt gründen würden) ließ ich noch eine Prophezeiung angedeihen. In Kurzform: "Ihr werdet frei sein und eine große Stadt gründen! Eines Tages, in 15.000 Jahren, wird ein Zwerg zu Euch kommen, dem ein großes Schicksal auferlegt sein wird. Ihr werdet ihn daran erkennen, dass er [Hier ausführliche Beschreibung meines Zwerges und seiner geplanten Identifizierungshandlungen]. Schmiedet für ihn zwei mächtige Zwergenstreitäxte von höchster Qualität und mächtiger Magie, und überreicht sie ihm feierlich!? Danach ging es zurück in die Gegenwart.
Tja, und jetzt werden wir zur Zwergenstadt reisen und sehen, ob meine Bene-Gesserit-Missionaria-Protectiva erfolgreich war.
Fazit:Eine äußerst spannende Spielrunde, die durch verpatzte Würfelwürfe eine Kreativität der Spieler verlangt hat, die reines Erzählspiel m.E. nicht zu leisten vermag.
Es grüßt
Grimnir